- Am Samstag fand in Amsterdam eine Kundgebung gegen Geert Wilders und seine faschistische PVV statt. Ich habe einen Artikel von Eric Krebbers und einen starken Redebeitrag von Hidaya Nampiima übersetzt. Der Beitrag ist ursprünglich auf Niederländisch in Doorbraak erschienen.
Etwa zweihundert Menschen haben heute am „Nationalen Aktionstag gegen Wilders“ auf dem Dam-Platz in Amsterdam teilgenommen. Die Teilnehmer*innenzahlen waren enttäuschend. Vielleicht waren Wut und Angst in den ersten Tagen nach der Wahl größer (zumindest waren die erste Proteste größer), vielleicht gibt es in diesen Tagen schon viele andere Proteste, vielleicht war es zu kalt, vielleicht war aber auch die Mobilisierung zu schwach.
Es war natürlich sehr kurzfristig, aber es schien, als hätten die Leute fast ausschließlich Instagram benutzt, um zu mobilisieren. Es war nicht einfach, auf den Blogs der Organisatoren Committee 21 March und The Movement etwas über den Protest zu finden. Und eine ganze Reihe anderer Organisationen und Komitees riefen zwar zu der Demonstration auf, schafften es aber anscheinend nicht wirklich, ihre Anhänger*innen davon zu überzeugen, sich auf dem Dam-Platz Gehör zu verschaffen.
Es hat auch nicht geholfen, dass sich die gesamte parlamentarische Linke (nicht zum ersten Mal) gegen Proteste gegen Wilders ausgesprochen hat, und dass leider viele andere immer noch der Meinung sind, dass man nicht gegen eine Person oder eine Partei demonstrieren sollte (was in diesem Fall mehr oder weniger dasselbe ist), sondern für etwas. Für Zusammenhalt und Solidarität zum Beispiel. Wir haben vor allem den Eindruck, dass die Leute nicht wirklich benennen wollen, nicht wirklich zugeben wollen, dass wir es hier mit einen realen faschistischen Partei zu tun haben. Ganz im Sinne der Medien, die in den Wochen vor den Wahlen mit aller Macht versucht haben, die neue Marke Geert „Milders“ auf dem Markt zu platzieren.
Vielleicht ist es besser, keinen Protest zu organisieren, als einen halbherzigen? Nun mag es für viele so aussehen, als ob sich nur eine Handvoll Leute wirklich Sorgen machen. Vielleicht ist Wilders ja doch nicht so schlimm? Und die Menschen, die sich (zu Recht) durch den fortschreitenden Faschismus bedroht fühlen, werden denken: Müssen wir darüber reden? Sind das die Leute, die uns unterstützen? Auffallend war übrigens, wie auch vom Podium berichtet wurde, dass unter den Demonstrant*innen buchstäblich niemand als Menschen mit muslimischen Glaubens zu erkennen war. Wird das die neue Normalität sein, werden, wenn wir bald eine Wilders I-Regierung haben?
In letzter Minute wurde auch bekannt gegeben, dass es keine Demonstration geben würde, dass wir nach den Redebeiträge fertig seien. War es die Kälte, waren wir zu wenige, gab es Faschist*innenen, die uns auf dem Weg hätten angreifen können? Wir wussten es nicht. Entschuldigt mich, wenn ich mich beschwere. Aber was wirklich gut gelungen war, waren die Redebeiträge. Sie lenkten die Aufmerksamkeit auf die zusätzlichen Probleme, die eine mögliche Wilders-Regierung für Migrant*innen und Geflüchteten, für die Kunst, für das Klima, für Menschen mit Einschränkungen und für den Wohnungsbau mit sich bringen könnte. Im Folgenden findet ihr eine der Redebeiträge.
Eric Krebbers
Redebeitrag Hidaya Nampiima
Danke, dass ihr hier seit. Danke für eure Solidarität. Wir brauchen Solidarität in diesen Zeiten, hier und jetzt. Mehr denn je. Mein Name ist Hidaya Nampiima. Ich bin Asylsuchende, Geflüchtete, Migrantin ohne Papiere, und ich bin auch Muslima, ich trage ein Kopftuch. Ich bin auch ein stolzes Teil der LBTGQ+ Gemeinschaft und ich bin eine schwarze Frau. Ich stehe für all das, was er hasst.
Ich brauche euch nicht zu erklären, dass ich Angst habe. Angst, weil ich weiß, dass Geert Wilders unser nächster Ministerpräsident werden könnte. Ich sage „unser“, weil ich hier bin. Und ich kann nicht gehen. Ich habe Angst, weil so viele Menschen ihn gewählt haben und seinen Ideen teilen.
Eine fremdenfeindliche und offen rassistische Partei hat letzte Woche gewonnen. Seit 18 Jahren macht Geert Wilders Migrant*innen, Geflüchtete und Asylbewerber*innen zu Sündenböcken. Seine Worte sind klar. Meine Gemeinschaft ist schockiert und verängstigt. Wir befürchten, dass es noch schwieriger wird, Asyl zu bekommen. Menschen, die um ihr Leben fliehen, werden in diesem Land kein Schutz mehr finden. Niemand verlässt sein Herkunftsland ohne Grund. Wir befürchten eine Kriminalisierung der Papierlosen. Menschen werden zu Kriminellen gemacht und als solche betrachtet. Das sind wir nicht, wir sind Menschen. Wenn wir kriminalisiert werden, dann werden auch all jene kriminalisiert, die uns helfen, die uns eine Unterkunft geben, die uns mit dem Nötigsten versorgen. Das hat große Auswirkungen, nicht nur auf mich, sondern auch auf sie.
Schließlich möchte ich meine Sorge um das Leben all der Menschen zum Ausdruck bringen, die jetzt auf der Flucht sind. Menschen, die an den Grenzen von Europa stehen. Es werden noch mehr Menschen sterben. Frauen, Männer und Kinder. Wir kennen ihre Namen und Gesichter nicht. Aber wegen der migrationsfeindlichen Stimmung in unserer neuen Regierung werden noch mehr Menschen ihr Leben verlieren.
Wir sind jetzt Opfer von Leuten, die gegen mich gewählt haben, ohne mich zu kennen. Hätte ich wählen können, hätte ich Human gewählt. Ich will meine Rechte als Mensch. Ich widme mein Leben meiner Meinung ausdrücken zu können. Das solltet ihr auch tun!
Unterstützt unseren Kampf. Nur gemeinsam sind wir stark. Ich nutze dieses Mikrofon, um dazu aufzurufen, uns zusammenzuschließen. Also die Klimabewegung, die Wohnungsbewegung, die antirassistischen Gruppen und alle anderen hier in der Menge: Steht auf, vereinigt euch! Kämpft für alle Menschen – zeigt eure Unterstützung für die Migrant*innenbewegungen.
Get up, stand up. Stand up for your rights. Get up, stand up. Dont give up the fight!
Hidaya Nampiima