Rechtsextremen PVV geführten Regierung in den Niederlanden: Wer ist Tricky Dick Schoof?

Ein Ehemaliger Geheimdienstchef wird niederländischer Premierminister in der von der rechtsextremen PVV geführten Koalitionsregierung. Dick Schoof, Premier von Wilders Gnaden. 

Der ehemaliger Geheimdienstchef und ehemaliger nationaler Koordinator für die Terrorismusbekämpfung, Dick Schoof, ist der designierte neue niederländische Premierminister. Ein nicht gewählter Technokrat, der immer wieder nach seinen eigenen persönlichen Regeln, und nicht nach geltendes staatliches Recht arbeitet. Der rechtsextreme PVV-Frontmann Geert Wilders muss ihn lieben.

Es war interessant zu beobachten, dass große Teile der niederländischen Medien, die normalerweise viele Artikel veröffentlichen, in denen sie die so genannte „Rechtsstaatlichkeit“ und die „parlamentarische Demokratie“ verteidigen, gestern weder auf die Tatsache eingingen, dass Dick Schoof auf keiner der Listen mit Personen stand, die bei den Parlamentswahlen zur Wahl standen, noch über seiner Ignoranz gegenüber geltendes Recht. Als Anarchist*in bin ich zwar kein Verfechter von das was derzeitig als „Rechtsstaatlichkeit“ betrachtet wird, aber es ist zumindest bemerkenswert, dass es von große teile der niederländischen Medien anscheinend nicht als Problem wahrgenommen wird, wenn der designierte niederländische Ministerpräsident immer wieder auf den „Rechtsstaat“ scheißt.

Dick Schoof ließ in seiner Funktion als Nationaler Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit (NCTV) ab 2014 Bürger*innen über Fake Accounts auf sozialen Medien überwachen, obwohl er wusste, dass dies nicht erlaubt war. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die von der niederländischen Tageszeitung NRC angefordert wurden. Das Sammeln von Informationen über Bürger*innen über soziale Medien ging unter Schoof auch nach internen Warnungen von Jurist*innen seiner Behörde weiter. Im Jahr 2015 stellt sich sogar heraus, dass das NCTV so viele sensible Daten gespeichert hat, dass das Speichersystem dem nicht mehr gewachsen ist. Und im Frühjahr 2018 wird innerhalb der Organisation erneut kommuniziert, dass die Informationssammlung nicht erlaubt ist. Es gab dafür schlichtweg keine rechtliche Grundlage. Seit Dezember 2023 ist die Praxis in den Niederlanden allerdings legal geworden… 

Unter Schoof’s Leitung hat das NCTV Kommunen zur Infiltrierung von Moscheen angeregt. Nach Angaben des NRC haben danach mindestens 10 Kommunen kommerzielle Anbieter beauftragt, verdeckte Ermittlungen in Gotteshäusern durchzuführen. Die „Ermittler“ nahmen an den Gebeten teil und sammelten alle möglichen persönlichen Informationen über Besucher*innen und Vorstandsmitglieder. Sie beschrieben namentlich, wer mit wem verwandt ist, welche Ausbildung die Leute gemacht haben, wer sich untereinander streitet und woran die Leute glauben. Auch dieser Praxis war illegal.

In seiner Funktion als Leiter der Nationalen Agentur für Terrorismusbekämpfung (NCTV) nahm „Tricky Dick Schoof“ auch Einfluss auf die Untersuchung des Absturzes von Malaysia Airlines Flug 17. Die Einmischung der NCTV in die Untersuchung des Abschusses von Flug MH 17 war weitreichend: Sie beeinflusste die Gestaltung, den Umfang und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Untersuchung. Am Ende wurde NCTV sogar zugesichert, dass die Texte nach ihren Wünschen angepasst werden würden.

Geschadet hat Dick Schoof das alles nicht. Im November 2018 trat er die Nachfolge von Rob Bertholee als Generaldirektor des Allgemeinen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes (AIVD, dem niederländischen Inlands- und Auslandsnachrichtendienst. ). Im März 2020 wurde Schoof zum neuen Generalsekretär des Ministeriums für Justiz und Sicherheit ernannt, dem höchsten nicht-politischen Posten innerhalb des Ministeriums.

Im März 2024 zeigte sich Schoof in einem Interview bereits zuversichtlich über eine mögliche PVV-Regierung. Dieses Interview in der „Groene Amsterdammer“ liest sich im Nachhinein wie ein Bewerbungsschreiben. Der Titel: „Die moralische Schmerzgrenze ist noch lange nicht erreicht“.

In dem Interview wird Schoof unter anderem gefragt: „Wo genau liegt also Ihre moralische Schmerzgrenze?“ Schoof antwortet: „Ich gehe ohne Frage davon aus, dass wir diese Schwelle in den nächsten Jahren nicht erreichen werden. Die Schmerzgrenze wäre dort, wo die gesamten ‚Staaten Generaal‚ [1] anfangen, Gesetze zu verabschieden und die Verfassung so zu ändern, dass man anfangen kann, das Überleben der Demokratie ernsthaft in Frage zu stellen.“ Interviewer Bas Mesters lässt nicht locker: „‘Kleinigkeiten‚, die gegen internationales Recht verstoßen, wie z. B. das Asylrecht oder das erneute Verbot der Familienzusammenführung, fallen für Sie also nicht in diese Kategorie?“ Schoof: „Dass ich deswegen über eine Kündigung nachdenke? Nein. Ich habe jetzt keinen scharfen Maßstab, mit dem ich sagen könnte: Dann ist das Land kein demokratischer Rechtsstaat mehr. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind immer einem Wandel unterworfen. Wir haben zum Beispiel bei der Terrorismusgesetzgebung einen anderen Blick auf Privatsphäre und Freiheit als noch vor 20 Jahren.“

Die neue niederländische Regierung ist keine reine „Technokratenregierung„. Etwa die Hälfte der Ministerposten werden von der rechtsextremen PVV und Steigbügelhalter*innen der VVD, NSC und BBB besetzt. Die verbleibenden Ministerposten sollten nach Ansicht der Parteichefs von PVV, VVD, NSV und BBB von außerhalb der Politik besetzt werden. Der ehemaligen Sozialdemokrat Schoof, und kommenden Premierminister ist der erste Technokrat in dieser Regierung. In Anbetracht des lockeren Umgangs von Dick Schoof mit staatlichen Regeln, wenn es um Repression und Überwachung der Bevölkerung geht, und der in der Regierungsvereinbarung angekündigten rechtsextremen Agenda gegen Geflüchtete, der Genfer Konvention, der Ausweitung der Definition dessen, was die PVV und Co als terroristische Vereinigung bezeichnen, und der ebenfalls angekündigten Repression gegen Aktivist*innen, wird es für viele Menschen dunkel in den Niederlanden werden. Sehr dunkel.

Fußnoten

[1] Als Generalstaaten (niederländisch Staten-Generaal) wird das Parlament des Königreichs der Niederlande und das des Landes Niederlande bezeichnet. Es besteht aus zwei Kammern, die beide ihren Sitz in Den Haag haben.